Endlich Vielfalt in aller Munde?!

Ein Plädoyer für die geschlechtergerechte Sprache

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(Quelle: Internet Klebeheld)

Es stimmt ja: Das sogenannte „Gendern“ der Sprache alleine rettet die Erde nicht, jedenfalls nicht so schnell, wie es nötig ist. Aber eins ist klar: Ohne das Gendern geht es auf keinen Fall.

Zum Hintergrund: Mädchen und Frauen ebenso wie Menschen anderer Geschlechtsidentitäten sollen sich auch heute noch immer mit angesprochen fühlen, wenn das „generische Maskulinum“ verwendet wird, also ein Begriff männlichen Geschlechts (z. B.: „Sie sollten zum Arzt gehen.“). Diese geschlechtsbezogene Verzerrung der Realität (Gender Bias) hat aber dazu geführt, dass insbesondere Mädchen und Frauen in vielen gesellschaftlichen Bereichen nicht wahrgenommen werden.

Bemühungen, für diese nicht mehr zeitgemäße sprachliche Schlamperei Alternativen zu finden und zu etablieren (als Teil des Gender Mainstreaming), werden immer wieder angeprangert, verlacht und/oder verhöhnt.

Muss es aber wirklich Gendern sein? Muss die deutsche Sprache scheinbar komplizierter werden? Aber auch: Wo ist die Unterstützung des „Vereins Deutsche Sprache“ und all der anderen sprachmächtigen Menschen in den öffentlich-rechtlichen Medien bei der Entwicklung alltagstauglicher Formulierungen, wenn die deutsche Sprache mal nicht mit neuen technischen Begriffen aus dem Englischen, sondern mit „Neuzugängen“ aus dem sozialen Bereich der Gesellschaft bereichert werden soll?

„Wir reden über das, was los ist in unserer Welt. Und die verändert sich, so dass wir immer Neues zu bereden haben.“ (Quelle: Video Selbstdarstellung Duden Online)

Danke für diese Erinnerung, lieber Duden, dass Sprache nicht im luftleeren Raum und nicht um ihrer selbst willen existiert. Sprache ist lebendig; sie wandelt sich zusammen mit den Menschen, die sie verwenden, und dient dem Ausdruck ihrer vielfältigen Aspekte und Angelegenheiten. Deshalb reden wir ja auch schon lange kein Althochdeutsch mehr.

„Das bedeutendste Ergebnis des Emanzipationskampfes [der Frauen] war … die allgemeine Einsicht, dass die Frau die Welt ganz anders erlebt als der Mann. 10 000 Jahre lang war die Welt so gewesen, wie die Männer sie haben wollten, und nach den Prinzipien regiert worden, die die Männer für gut befanden.“ (Quelle: Kaari Utrio, „Evas Töchter – Die weibliche Seite der Geschichte“)

Unsere Gesellschaft hat sich in hohem Maße und rasanter Geschwindigkeit weiterentwickelt. Dabei sind wir auch überall da präziser geworden, wo wir wichtige Sachverhalte differenziert darstellen wollen; davon zeugen nicht zuletzt  wissenschaftliche Abhandlungen immer breiter gefächerter Forschungsgebiete. Wer hier anerkannte Studienergebnisse ignoriert, verliert sofort an Glaubwürdigkeit.

Wie merkwürdig, dass allerdings gerade die Erkenntnisse rund um die Notwendigkeit des Genderns ignoriert werden, obwohl die Literatur zum Thema „generisches Maskulinum und seine Auswirkungen“ in der Zwischenzeit üppig ist (siehe hier beispielsweise die Untersuchung der Professorinnen Dagmar Stahlberg und Sabine Sczesny von 2001).

Zu den diesbezüglichen Fakten gehört da eben heute auch, dass politisches und organisatorisches Handeln niemals geschlechtsneutral ist. Und dafür braucht es eine adäquate, präzise Sprache.

Wenn also die Duden-Redaktion neue Begriffe ins deutsche Wörterbuch übernimmt, sobald diese die gründliche Prüfung auf „Verbreitung, Häufigkeit und Dauerhaftigkeit“ bestanden haben, lautet hier mein Aufruf an alle Sprachbewussten: „Verwendet konsequent und durchgehend das Gender-Sternchen!“

PS.: Übrigens hinken wir auch an anderen Stellen sprachlich hinterher; anders als in vielen anderen Ländern gibt es für die Nachrichtensendungen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen noch keine parallele Übersetzung in die Gebärdensprache!

 

 

 

 

 

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