Akademische Forschungsergebnisse überfluten uns aus allen Bereichen des Lebens. Manchmal zwar auch mit Inhalten, die das genaue Gegenteil von früheren Erkenntnissen darstellen, aber wie auch immer: Forschungsdrang ist gut. Lernen wir doch durch ihn die Welt, in der wir leben, immer detaillierter kennen und wird gerade an Widersprüchen deutlich, dass das Leben so immens vielfältig ist, dass im Universum einfach Platz für alles ist und es keine alleingültige einzige Wahrheit gibt. Gut also, dass es die Forschenden gibt.

Aber was passiert danach mit all ihren Erkenntnissen, insbesondere denjenigen zu Themen von breitem Gemeinwohlinteresse? Wie zum Beispiel: „Warum können wir nicht weiter so leben wie bisher und wie wollen wir statt dessen unsere Zukunft gestalten?“ Wie werden die vielen erforschten Puzzleteile zu einem großen Bild, der gemeinsamen Vision eines guten zukünftigen Lebensalltags (Buen Vivir)?
Die gesellschaftlich relevanten Debatten werden schon länger nicht mehr von Menschen geführt, die den Bevölkerungsquerschnitt repräsentieren. Das Vordrängeln wirtschaftlicher Interessen vor das Gemeinwohl hat sich in den letzten Jahren nicht nur im Bundestag verfestigt; auch im akademischen Bereich hat es sich breit gemacht und unter anderem zu einer Aufsplitterung von Studienfächern geführt, sozusagen zu einer Atomisierung von Informationen.
Diese unter dem Stichwort „vernetztes transdisziplinäres Wissen“ wieder zusammenzuführen, weil die Lösung der in der Vergangenheit aus den alten Verhaltensmustern entstandenen Probleme dies erfordert („Große Transformation“), findet nun allerdings schon wieder hauptsächlich auf dem akademischen Sektor statt.
Wo aber sind die gut dotierten Strukturförderprogramme, die ihre Mittel denjenigen zukommen lassen, die gemeinwohlorientiert die Brücke zwischen Erkenntnissen und lebensalltäglicher Praxis bauen und vor Ort ganz praktisch die unterschiedlichen Forschungsergebnisse mit den Menschen vernetzen? Eine „Große Transformation“ gibt es nur mit diesen Change Agents!
Seit Jahren vollzieht sich unter der Decke der Beschäftigungs- und Einkommensungerechtigkeit auch hier eine gesellschaftliche Spaltung, die mit handfesten finanziellen Folgen einhergeht.
Nach wie vor müssen sich ehrenamtliche Mitglieder gemeinnütziger Nichtregierungsorganisationen (NRO) – unbezahlt – immer wieder neu durch Antragsberge arbeiten, um im Idealfall die – magere – Finanzierung eines einzigen Projekts zu erlangen (dessen schon vorsichtig kalkuliertes Minimal-Budget im Laufe des Prüfverfahrens garantiert immer noch weiter zusammengestrichen wird).
Leider ist die Erkenntnis noch sehr frisch, von der Projektfinanzierung zur strukturellen Finanzierung kommen zu müssen, also vor allem erst mal die Aufrechterhaltung des Umfelds zu garantieren, die ein zukünftiges Projekt erst ermöglicht. Und die Menschen, die sich mit ihrer Expertise und ihrer Leidenschaft für den gesellschaftlichen Wandel hin zu einer nachhaltig guten Zukunft für möglichst alle engagieren, finden immer weniger bezahlte Arbeit in den alten, sich auflösenden Strukturen.
Mit Schulterklopfern und staatlichen Preisgeldern von gerade mal 1.000 € pro wegweisendem hochkarätigem innovativem Engagement einzelner NRO und ihrer Protagonist*innen werden wir die hehren Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen und die der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie allerdings erst am Sankt-Nimmerleins-Tag erreichen.
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Meinen tiefsten Respekt und meine herzlichsten Glückwünsche auch in diesem Jahr wieder allen Preisträger*innen, aber auch den zum ersten Mal regionalen Organisator*innen von Projekt Nachhaltigkeit!
(Die Autorin ist ehrenamtliches Vorstandsmitglied der gemeinnützigen Vereine En Buenas Manos e. V. und Berlin 21 e. V.)